Fünf Fragen an Dr. Sommernachtstraum

Ein paar der queeren Queens und Fabelwesen aus dem märchenhaften Nachtwald aus „The Fairy-Queen“ haben Fragen zu einem achtsamen und liebevollen Umgan miteinander. Unsere Expertin, Dr. Sommernachtstraum, gibt Antworten.

Geheimnisse

Secrecy: „Ich bin seit gut drei Jahren mit meinem Freund in einer festen Beziehung. Allerdings gibt es Dinge, die er nicht von mir weiß. Ist es eher gut oder schlecht für uns, wenn ich meine Geheimnisse für mich behalte?“

Dr. Sommernachtstraum: Wer Wert auf eine reife Beziehung legt, versteht, dass manche Dinge lieber gesagt werden sollten. Wie kann ich sonst wissen, mit wem ich es zu tun habe? Enthüllungen – selbst die unangenehmen – lassen eine Beziehung wachsen und an Tiefe gewinnen. Für die Sexualität brauchen wir manchmal Distanz und Abstand. Wer einen schweren Fetisch hat, behält das vielleicht erst mal für sich. Anfangs braucht man den auch noch nicht für die sexuelle Erregung. Aber nach und nach eben schon, und dann sollte man solche „Geheimnisse“ zumindest ansatzweise erzählen. Eine Beziehung, die das Prädikat „vertrauensvoll “ verdient, zeichnet sich durch sexuelle und emotionale Intimität aus. Dafür muss man sich öffnen.

Mixed Signals

Anonym: „Mein derzeitiger Flirt spielt mit mir ›heiß und kalt‹: Mal überhäuft er mich mit Aufmerksamkeit, und ich fühle mich wiedie Königin der Elfen. Dann aber guckt er mich mit dem Arsch nicht an (meistens wenn andere dabei sind). Wie soll ich mit diesen ‚mixed signals‘ umgehen?“

Dr. Sommernachtstraum: Das klingt nach toxischem Beziehungsverhalten. So sollte sich Liebe nie anfühlen! Solche Leute sind auch oft Dopamin-Junkies, die brauchen einen gewissen Triggerpunkt, um eine Sache spannend zu finden. Da geht es ums Habenwollen. Andersherum entsteht eine Co-Abhängigkeit, man denkt ständig an die andere Person und fragt sich: Meldet sie sich jetzt oder nicht? Das Interessante daran ist für beide die Unberechenbarkeit. Ein furchtbarer Mechanismus! Wichtig ist, dass man sich bewusst macht, was da passiert. Dazu muss man Abstand gewinnen und von der Gemüts- auf die Verstandesebene wechseln. Die meisten kommen da von selbst nicht raus, dann würde ich empfehlen, sich helfen zu lassen, sonst bleibt man in diesem Mechanismus hängen und fragt sich, warum einem das immer wieder passiert.

Polyamorie

Alle: „Wir sind alle mit der Idee von der einen großen Liebe aufgewachsen, und uns wurde erzählt, dass die Ehe ein Bund fürs Leben sei. In unserem Umfeld sehen wir aber, dass die meisten Beziehungen nicht so lange halten. Macht es überhaupt noch Sinn, sich den einen Partner, die eine Partnerin zu suchen, oder sollten einfach alle alle heiraten?“

Dr. Sommernachtstraum: Liebe, egal mit wie vielen, braucht Augenhöhe und Respekt. Und: Liebe ist Arbeit. Wir haben diese Romantik- Manie aus Hollywood im Kopf, dabei ist das Konzept der romantischen Liebe zu einer Zeit entstanden, in der viele nicht älter als vierzig geworden sind. Wenn manche Paare jahrzehntelang verheiratet sind, ist das wie Lebenslänglich mit Sicherungsverwahrung. Kann man die Veränderungen, die in dieser Zeit passieren, mitmachen? Freundschaft finde ich in einer Beziehung wichtig. Sex verändert sich mit den Jahren. Anfangs macht man den doppelten Rittberger vom Ikeaschrank, später kriegt man eine neue Hüfte oder kommt in die Menopause beziehungsweise die Andropause – diesen Veränderungen muss man empathisch begegnen. So kommt man aus dem Leistungsdruck heraus. Die meisten von uns sind keine Berührungskünstler, aber wir spüren, was sich füreinander gut anfühlt, und können neue sinnliche Räume aufmachen. Wenn einem irgendwas nicht gefällt, kann man versuchen, mit Humor und Lachen die Situation zu verbessern, wie wenn man jemandem beim Tanzkurs auf den Fuß tritt. Das ist alles kein Weltuntergang.

Exklusivität

Juno: „Ich erzähle anderen, dass Treue und Exklusivität die höchsten Güter in einer Ehe sind, und viele wenden sich für Rat in dieser Sache an mich. Aber mit meinem eigenen Mann komme ich zu keinem Einverständnis, was außereheliche Affären angeht. Ständig gibt es Streit, weil ich ihn mit anderen Frauen erwische. Und alle wissen davon! So langsam habe ich das Gefühl, mich vor der ganzen Welt lächerlich zu machen. Soll ich mich trennen, oder gibt es noch Hoffnung für meine Ehe?“

Dr. Sommernachtstraum: Ob es Hoffnung gibt oder nicht, hängt davon ab, ob die Karten auf dem Tisch liegen. Mit andauernder Untreue sollte niemand leben, wenn Monogamie vereinbart worden ist. Ich habe viele Paare, wo ein Partner sagt: Ich will die Beziehung jetzt öffnen. Das kann funktionieren, dazu müssen aber beide auf demselben Level sein. Das ist allerdings selten der Fall. nd die Person, die weniger will oder mehr an der Beziehung hängt, macht erst mal mit, weil die andere Person die neuen Freiheiten nicht mehr aufgeben will und sie vor die Wahl stellt: „Take it or leave it.“ Wenn man das auf Dauer nicht akzeptieren kann, muss man Konsequenzen ziehen. Das fällt natürlich schwer, wenn man zwei Kinder hat und die Beziehung freundschaftlich ist. Erschwerend hinzu kommt: Eine offene Beziehung ist an viel mehr Regeln gebunden als eine monogame. Wie oft? Wo? Mit wem? Selbst das kann man alles genau verabreden, aber das Leben spielt oft anders … Und Gelegenheit macht Liebe.

Grenzen

Mopsa: „Mein Freund Coridon will nicht akzeptieren, dass ich Grenzen setze, was körperliche Nähe angeht. Er will bei jeder kleinen Zärtlichkeit gleich aufs Ganze gehen, aber dabei wird mir unwohl. Wie kann ich ihm zu verstehen geben, dass ich bestimmte Dinge nicht will?“

Dr. Sommernachtstraum: Grenzen klar zu setzen ist schwer. Dahinter steckt die Angst, die andere Person zu verlieren. Das Risiko muss man aber eingehen, sonst steht man die ganze Zeit unter Performance-Druck. Das macht man anfangs vielleicht eine Weile mit; irgendwann fühlt es sich aber an wie eine Dienstleistung, und dann bleibt nur noch Lustlosigkeit, weil man so nicht behandelt werden möchte. Um Grenzen zu setzen, muss man außerdem wissen, was man will. Die meisten können das aber nicht beantworten. Sie haben keine Sprache dafür. Die können ja noch nicht mal ihre Körperteile richtig benennen. Das heißt dann „da unten“ anstatt Penis, Vulva oder Vagina. Das hat wiederum mit Scham zu tun. Wer es schafft zu sagen: „Ich möchte über unseren Sex reden“, beginnt ein Gespräch – das ist der erste Schritt. Und Sex ist auch nicht gleich Sex. Sex ist nicht nur Penetration, sondern ein großes Buffet: küssen, mit oder ohne Zunge, nackt kuscheln, absichtsloses Berühren – all das. Und all das ist schön. Das haben die meisten nur noch nicht ganz begriffen.

Dr. Sommernachtstraum

Katrin Hinrichs ist klinische Sexologin mit eigener Praxis in Hamburg. Über das »Sex-ABC« spricht sie zusammen mit Hajo Schumacher in dem Podcast Ich frage für einen Freund …, aus dem das gleichnamige Buch entstand. Zuletzt erschien The Age of Sex. Über Liebe und Lust im Laufe unseres Lebens.
Dieser Beitrag erschien zunächst in der zweiten Ausgabe 2024/25 von Reihe 5, dem Magazin der Staatstheater Stuttgart.

The Fairy-Queen

Feb 2025
https://www.staatsoperstuttgart.de Staatsoper Stuttgart Oberer Schloßgarten 6, 70173 Stuttgart

So
23
15:00 – 16:40
Nord
Premiere
Besetzung
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Mo
24
19:00 – 20:40
Nord
Besetzung
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Di
25
19:00 – 20:40
Nord
Besetzung
Mär 2025
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Di
4
19:00 – 20:40
Nord
Besetzung
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Mi
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19:00 – 20:40
Nord
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Fr
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19:00 – 20:40
Nord
Besetzung
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So
9
19:00 – 20:40
Nord
Besetzung