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25.11.2021 Auf Duchreise zum Olymp Legenden und Wahrheiten rund um Wolfgang Amadeus Mozarts sechs letzte Sinfonien

Auf Durchreise zum Olymp

Im 2. Sinfoniekonzert unter der Leitung von Cornelius Meister werden am 5. und 6. Dezember die letzten sechs Sinfonien Mozarts in der Liederhalle aufgeführt. Sie möchten mehr über den Komponisten und seine Werke erfahren? Der Autor Florian Heurich präsentiert Ihnen hier einige Legenden und Wahrheiten rund um Wolfgang Amadeus Mozarts letzte Sinfonien.

Überraschungseffekt

Sinfonie Nr. 35 D-Dur KV 385
Haffner (1782)
Gleich ums Eck von Mozarts Geburtshaus in der Salzburger Getreidegasse ist die Sigmund-Haffner-Gasse, benannt nach einem wohlhabenden Kaufmann und Bürgermeister. Dessen Sohn, ebenfalls mit Namen Sigmund, bestellte bei Mozart anlässlich seiner Erhebung in den Adelsstand eine Serenade oder Sinfonie. Mozart, der mittlerweile schon in Wien lebte und in den Vorbereitungen zu seiner Hochzeit steckte, kam dieser vom Vater Leopold überbrachte Kompositionsauftrag gar nicht gelegen. »Je nu, ich muß die Nacht dazu nehmen, anderst kann es nicht gehen … und ich werde so viel möglich geschwind arbeiten – und so viel es die Eile zulässt – gut schreiben.« Er schrieb diese Sinfonie Nr. 35 offenbar sogar so schnell, dass er wenig später schon wieder jede Note vergessen hatte, als er eine Aufführung des Werks bei einer Akademie in Wien plante: »– die Neue Hafner Sinfonie hat mich ganz surprenirt – dann ich wusste kein Wort mehr davon; – die muß gewis guten Effect machen.«

Zwischenstopp

Sinfonie Nr. 36 C-Dur KV 425
Linzer (1783)
Die Sinfonie Nr. 36 ist quasi auf derb Durchreise entstanden. Gerade hatte Mozart seine frisch angetraute Constanze in Salzburg seiner Familie präsentiert, doch die beiden waren eher frostig empfangen worden. Dies hing dem Ehepaar noch nach, als es auf dem Heimweg nach Wien bei einem alten Gönner Mozarts in Linz Station machte. Schnell wurde Mozart jedoch von dem Alltag eines in Adelskreisen und besserer Gesellschaft herumgereichten Komponisten eingeholt. Man lud ihn ein, ein Konzert zu geben, »– und weil ich keine einzige Simphonie beÿ mir habe, so schreibe ich über hals und kopf an einer Neuen, welche bis dahin fertig seÿn muß«, so Mozart an seinen Vater, und in nur sechs Tagen entstand in aller Eile die sogenannte Linzer Sinfonie.

Reisegepäck

Sinfonie Nr. 38 D-Dur KV 504
Prager (1786)
Dass die Uraufführung in Prag stattfinden sollte, wusste Mozart wohl noch nicht, als er seine Sinfonie Nr. 38 komponierte. Die Einladung in die böhmische Metropole kam erst kurz darauf, und Mozart machte sich mit den Noten im Gepäck auf den Weg. Prag taumelte gerade im Figaro-Fieber, und man wartete gespannt auf Mozarts Dirigat dieser Oper und ein Konzert, bei dem er das Prager Publikum als Pianist, Dirigent und Komponist erneut in Begeisterung versetzen sollte. Bei dieser Gelegenheit erklang auch zum ersten Mal das D-Dur- Stück, und als Mozart wieder abreiste aus Prag, hatte er tausend Gulden und den Kompositionsauftrag für Don Giovanni in der Tasche. In der Prager Sinfonie meint man beides zu hören: die lustvolle Lebensfreude von Figaros Hochzeit und den dämonischen Abgrund des Don Giovanni.

Finanzkrise

Sinfonie Nr. 39 Es-Dur KV 543
(1788)
Es ist irreführend, dass die Sinfonie Nr. 39 manchmal Schwanengesang genannt wird. Diese Bezeichnung ist vor allem dem romantischen Überschwang des 19. Jahrhunderts geschuldet, als man versuchte, zu viel von Mozarts Biografie in sein Werk hineinzudeuten. Da Bearbeitungen dieser Sinfonie erst relativ spät in Druck gingen, sah man das Werk fälschlicherweise als seine letzte musikalische Äußerung an. Fest steht allerdings, dass die Sinfonie zu einer Zeit des sozialen Abstiegs und der Geldsorgen entstanden ist, zwischen Bettelbriefen an Mozarts Gönner Michael Puchberg und Depressionsschüben. Zudem begann Österreich einen Krieg gegen die Türken, der Unsummen verschlang, das kulturelle Leben in Wien lag großteils lahm, und so ist nicht belegt, ob Mozart jemals eine Aufführung dieser Sinfonie miterlebt hat. Sein Schwanengesang war dieses Werk jedoch trotz schlechter Lebensumstände nicht, deshalb ist dieser Beiname bald wieder aus dem Konzertrepertoire verschwunden.

Geniestreich

Sinfonie Nr. 40 g-Moll KV 550
(1788)
Die Sinfonie Nr. 40 ist als zweite der Trias von Mozarts letzten Sinfonien entstanden, die er in einem Zug im Sommer 1788 innerhalb von rund sechs Wochen komponierte – ohne konkreten Auftrag und ohne Aussicht auf eine Aufführung. Dies regte natürlich die Legendenbildung vom mittlerweile verarmten Genie an, das nur für sich selbst, allein aus innerem Drang heraus in ungebremster Kreativität Großartiges schuf. Das nervöse, vorwärtsdrängende Hauptthema des ersten Satzes ist zu einer der populärsten Mozart-Melodien überhaupt geworden, die mittlerweile sogar als Klingelton oder Werbeschlager fast omnipräsent ist. Und das, obwohl in diesen wenigen Anfangsnoten doch angstvolle Unruhe und Getriebenheit mitschwingen und die Tonart g-Moll bisweilen sogar als »Todestonart« gedeutet wird. Dass Mozart seinen Tod drei Jahre später hier bereits vorausgeahnt hat? Eher unwahrscheinlich.

Götterfunken

Sinfonie Nr. 41 C-Dur KV 551
Jupiter (1788)
Göttliche Größe kann man der Sinfonie Nr. 41 kaum absprechen. Das Attribut Jupiter wurde jedoch erst im Nachhinein von unbekannter Hand hinzugefügt. Mozart selbst war weitaus nüchterner und schrieb am 10. August 1788, als er mit der Niederschrift fertig war, fast lapidar ins Verzeichnis seiner Kompositionen: »Eine Sinfonie«. Ähnlich unspektakulär wirkt rein äußerlich auch die autografe Partitur: 48 Blätter mit 91 akkurat und fast korrekturlos beschriebenen Seiten à zwölf Zeilen. Die Noten durchzucken jedoch die funkelnden Blitze des Göttervaters und das Leuchten von C-Dur, gewissermaßen der Tonart des reinen, weißen Lichts. Diese seine letzte Sinfonie an Bedeutung dem Glanz Jupiters, des obersten aller Götter, gleichzusetzen, lag Mozart jedoch fern. Das übernahm die Nachwelt und hob das Werk in den Olymp.
Dieser Artikel erschien in der Dezember-Ausgabe des Monatsmagazins Reihe 1 der Staatstheater Stuttgart.

2. Sinfoniekonzert